Yanomami-Freundeskreis gründet eigenen Verein

Weltsicht 70 Ausgabe Dezember 2005, Heike Hackmann
Bündnis entwicklungspolitischer Initiativen in Schleswig-Holstein (BEI)

15 Jahre Yanomamiarbeit

Christina Haverkamp berichtet über vergangene und zukünftige Projekte bei Yanomami-Indianern

Junge

Im Lachmöven-Theater in Laboe war Anfang November jeder der gut 100 Sitzplätze belegt, als Christina Haverkamp über ihre Arbeit für und mit den Yanomami-Indianern in Brasilien erzählt. Neben einem Rückblick ließ sie die Zuschauerinnen und Zuschauer auch an konkreten Zukunftsplänen teilhaben.

Es war keine leichte Unterhaltung, die die TheaterbesucherInnen am Freitagabend in Laboe erwartete. Dennoch war der Saal voll mit Menschen zwischen 8 und 80, die sich alle einen spannenden und interessanten Abend erhofften. Und sie sollten nicht enttäuscht werden.

Christina Haverkamp war zu Gast, um über ihre Erfahrungen aus mehr als 15 Jahren Arbeit mit einem der letzten noch ursprünglich lebenden Indianervölkern zu berichten.

Sie spannte einen weiten Bogen von ihrer ersten Reise nach Brasilien, die sich die Mathematik- und Sportlehrerin als Tramperin auf der Thor Heyerdahl ermöglichte. Natürlich erzählte sie von den gemeinsamen Jahren mit Rüdiger Nehberg, über den sie in Kontakt mit den Yanomami-Indianern kam. Sie gab einen Einblick in weitere Expeditionen, die ihre Kontakte in Brasilien wachsen ließen, stellte Erfolge und Härten den Menschenrechtsarbeit dar. Und sie vermittelte ein lebendiges Bild von der Lebensweise der Yanomami, von ihren Sitten und Gebräuchen.

Die durchgängige Botschaft, die Christina Haverkamp ihre ZuhörerInnen vermittelte, war: Menschenrechtsarbeit ist kein Zuckerschlecken, aber sie kann viel bewirken, mehr als manchmal möglich scheint.

Von Goldsuchern, Sümpfen und Krankheiten

Das zentrale Problem der Yanomami, die in einem Gebiet von der Größe der Schweiz nördlich des Rio Negro ihre Heimat haben, ist das Gold, das in der Erde zu finden ist. Illegale Goldsucher – „im Grunde arme Kerle, weil sie selbst von den großen Goldunternehmen ausgebeutet werden“ – kamen zu Hunderten in das Gebiet, um das Edelmetall aus der Erde zu waschen. Zum Erreichen der entlegenen Urwaldregionen schlugen sie Flugzeuglandepisten in den Wald und schädigten das Ökosystem, von dem die Yanomami leben. Beim Waschen des Goldes unterspülen sie die Wurzeln der Baumriesen und verwandeln große Gebiete in Sümpfe. Diese sind Brutstätten von Mücken, die die Malaria und andere Krankheiten verbreiten, die bei den Yanomami zuvor kein großes Problem darstellten. Die Goldsucher benutzen beim Goldwaschen außerdem Quecksilber, das sich in die Flüsse ergießt und sowohl die daraus trinkenden Menschen als auch Tiere und Pflanzen vergiftet. Die Zerstörung der Lebensgrundlage führte über Jahre dazu, dass die Yanomami unter Hunger, Vergiftungen und neu eingeschleppten Krankheiten litten. Hunderte starben oder wurden von Goldsuchern ermordet, weil sie dem Profit im Wege standen.

Bei den Expeditionen, die Christina Haverkamp jährlich für mehrere Monate zu den Yanomami führen, steht die medizinische Hilfe im Mittelpunkt. Zunächst waren es kleine Krankenstationen, an denen die Yanomami Medikamente erhalten konnten. Mittlerweile sind daraus drei feste Krankenstationen geworden, die jeweils mehrere Dorfgemeinschaften mit medizinischer Hilfe versorgen. Hinzu sind Schulen gekommen, an denen Yanomami unter anderem die brasilianische Landessprache lernen können, um ihre eigenen Interessen gegenüber der Regierung vertreten zu können. Für die Betreuung der Krankenstationen werden Yanomami von Fachkräften ausgebildet, so dass die ersten beiden Stationen bereits unter Leitung der Yanomami betrieben werden.

Hilfe nur dort, wo sie gewollt ist

Grundprinzip der Arbeit von Christina Haverkamp ist es, nur dort aktiv zu werden, wo sie willkommen ist und um Unterstützung gebeten wird. Außerdem ist eine tatkräftige Beteiligung der vor Ort lebenden Menschen Vorraussetzung für die Umsetzung von Hilfsprojekten.

Neben den Projekten vor Ort sind in den vergangenen Jahren auch auf politischer Ebene viele Aktivitäten mit dem Ziel erfolgt, die Rahmenbedingungen und Rechte für die Yanomami zu verbessern. Bei der brasilianischen Regierung sind die Bemühungen zunächst auf wenig Gegenliebe gestoßen. Im Gegenteil mussten Christina Haverkamp und ihre Partner vielfach Schikanen und Repressalien erdulden.

Doch aufgrund zunehmenden politischen Drucks auch auf internationaler Ebene hat sich die Situation zum Besseren verändert. Mit der Regierungsübernahme durch Präsident Lula da Silva verfestigte sich der positive Trend. Hilfe wird nun zugelassen, zum Teil erfährt sie Unterstützung von brasilianischen Organisationen. Die Zahl der illegalen Goldsucher ist stark rückläufig. Nur noch wenige sind in dem Gebiet geblieben.

Neue Projekte in Venezuela

Die erfolgreiche Arbeit in Brasilien hat sich herumgesprochen. So erreichte Christina Haverkamp auch eine Bitte von Yanomami jenseits der brasilianischen Grenze aus Venezuela. Dort hat sie ebenfalls eine Krankenstation aufgebaut und will in der Region ihre Arbeit fortsetzen. Von Regierungsseite in Venezuela erhält sie Unterstützung wie z.B. medizinisches Personal.

Noch sind nur 20 Prozent der Yanomami-Dörfer in Venezuela medizinisch versorgt. Das soll sich mit dem neuesten Projekt, das in 2006 starten soll, ändern. Geplant ist eine mobile Krankenstation auf einem Amazonasschiff. Es soll den Dörfern entlang des Flusses medizinische Hilfe bringen.

Derzeit laufen die Planungen und die Suche nach Finanzierungsquellen. Nur in Ausnahmefällen nimmt Christina Haverkamp dabei öffentliche Fördermittel in Anspruch. Überwiegend finanzieren sich die Projekte aus den Vortragsreisen und aus Spenden. Dabei spielen Schulen eine bedeutende Rolle. Denn bei Vorträgen an Schulen begeistert sie die SchülerInnen so sehr für die Möglichkeit zu helfen, dass auf Schulveranstaltungen Gelder für die Projekte gesammelt werden.

Um die Kontakte zu möglichen UnterstützernInnen der Yanomami zu verstetigen, soll nun ein Verein gegründet werden. Hintergrund hierfür ist auch, dass die Gesellschaft für bedrohte Völker, bei der bisher die Projekte von Christina Haverkamp eine institutionelle Heimat hatten, in Zukunft andere Schwerpunkte setzen will.

Unter einem neuen Dach aber mit unvermindertem Elan geht Christina Haverkamp an zukünftige Projekte und wird sich auch weiterhin beweisen, dass mehr möglich ist als es scheint.