Wo küssen absolut tabu ist

Wo Küssen absolut tabu ist

Umweltaktivistin Christina Haverkamp und ihre Abenteuer am Amazonas

Einen besonderen Gast mit einer eindringlichen Botschaft hatte kürzlich die Rother Realschule zu Besuch. Auf Initiative des Nürnberger Vereins „Lebensraum Regenwald“ hielt Christina Haverkamp, die bekannte Umwelt-Aktivistin und unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Indianer, einen Vortrag über das naturverbunden Leben des südamerikanischen Yanomami-Stamm.

Wo Küssen absolut tabu ist

Wo Küssen absolut tabu ist

ROTH – Mit eindrucksvollen Bildern schilderte sie den Alltag dieser ethnischen Minderheit, deren Lebensumstände sich seit dem Auftauchen des „weißen Mannes“ in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dramatisch verändert haben. Goldsucher, Großgrundbesitzer, Minenkonzerne und die Holzindustrie bedrohen oft auch mit kriminellen Methoden den Lebensraum der Yanomami-Indianer, deren Menschenrechte nach den Worten Haverkamps mit Füßen getreten werden, und selbst die brasilianische Regierung sei mehr an profitablen Geschäften als an dem Schutz ihrer Ureinwohner interessiert.

1990 besuchte Christina Haverkamp zum ersten Mal das geheimnisvolle Regenwaldvolk, und seitdem fährt sie jedes Jahr an den Amazonas. In ihrem Diavortrag in der Realschul-Aula brachte sie den Fünftklässlern anschaulich die Kultur und die Lebensweise der Indianer näher.

Seit Jahrhunderten lassen sich die Yanomami-Indianer Nasen und Wangen mit Zierstäbchen durchbohren – ähnlich dem bei uns verbreiteten Piercing, in ihrer Kultur gibt es keinen individuellen Besitz, alles wird geteilt und Küssen ist verpönt. „Das ist eine Erfindung der Weißen“, erklärt Haverkamp den überraschten, aber auch tief beeindruckten Schülerinnen und Schülern.

Weiter berichtet die aus Kiel stammende Globetrotterin von den fremdartigen Tieren des Regenwalds. Würgeschlangen, Vogelspinnen – all diese exotischen Regenwaldbewohner konnte die Abenteuerin bei ihren Reisen beobachten. Die Ernährungsgewohnheiten sind für Europäer gewöhnungsbedürftig: Einmal landete sogar ein gebratener Affe auf ihrem Teller. Dennoch liebt sie dieses entlegen Paradies zwischen den Strömen Amazonas und Orinoco, der für die Kinder der Yanomami viel mehr ist als nur ein „riesiger Abenteuerspielplatz“.

Im Bambusfloß übers Meer

Das Abenteuer darf bei Haverkamp natürlich auch nicht zu kurz kommen. Zusammen mit dem Menschenrechtler und Survival-Experten Rüdiger Nehberg überquerte sie 1992 anlässlich der 500-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus den Atlantik mit einem selbstgebauten Bambusfloß. Weltweit berichteten die Medien über diese spektakuläre Aktion, die auf die immer noch bestehende Unterdrückung der indianischen Völker von Süd- und Nordamerika aufmerksam machen sollte.

Aber auch bei den Yanomami hat sie schon vieles bewegt. So gründete sie mehrere Krankenstationen mit angeschlossenen Schulen. Zurzeit befindet sich in Venezuela eine medizinische Einrichtung im Aufbau.

Roland Zeh, Vorsitzender der Nürnberger Organisation „Lebensraum Regenwald“, war vor 30 Jahren selber Schüler an der Rother Realschule. Deshalb lud er Christina Haverkamp ein, an eben diesen Ort, an den er gute Erinnerungen hat, ihren Vortrag zu halten. Zum Dank überreichte er ihr dafür einen Scheck über 2900 Euro, mit dem eine für die neue Krankenstation dringend benötigte UKW-Funkanlage angeschafft werden soll.

Seit 2001 setzt sich „Lebensraum Regenwald“ für den Schutz dieses für den Planeten unverzichtbaren Ökosystems der Erde ein, und hat es sich zum Ziel gesetzt, gerade in Zeiten des Klimawandels diese Biodiversität als Klimapuffer und als Lebensraum für Mensch und Tier zu erhalten. „Wir können den Regenwald nur schützen, wenn wir dabei auch die in ihm lebenden Naturvölker mit einbeziehen“, begründet Zeh die Zusammenarbeit mit der umtriebigen Weltenbummlerin Christina Haverkamp, die schon am nächsten Tag irgendwo in Deutschland ihren nächsten Vortrag halten wird.

Tobias Tschapka